Ford Taunus 17M P3 - Die Geschichte der legendären "Badewanne"

ISBN: 978-3-933474-45-2
Dr. Faustus Verlag, März 2007


"Ein Auto mit Zukunft" so begann und so endete ein Artikel über den neuen Ford Taunus 17M in der größten Kölner Tageszeitung, dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 13. Oktober 1960.

Darin stimmte der Redakteur Fritz Vossieck seine Leser auf modernere Ansichten im Straßenbild ein: "An die abgerundete Form wird man sich auch bei uns gewöhnen. Sie scheint mir eine Bestätigung dafür, dass die eckige Trapezlinie eine Modeerscheinung ist und vielleicht schon war."

Voller Selbstbewusstsein riet der verantwortliche Ford Versuchsleiter dem Testredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers vor der Testfahrt über enge, kurvige Eifelstraßen bei Hürtgenwald in der Nähe von Aachen: "Nehmen Sie ihn nur ordentlich ran. Da haben wir Ihnen eine Schlaglochstrecke ausgesucht, dass Sie staunen. Und wenn Sie ihn umwerfen können, bitte sehr!" Was auch immer der Stadt-Anzeiger Redakteur unternahm: er warf den 17M nicht um. Aber der 17M warf ihn um. Begeistert schrieb er als Fazit seines Testberichtes: "Gesamturteil: ein fortschrittliches modernes Automobil, bei dem man den Mut zu etwas Besonderem gezeigt, sich aber motorisch auf keine Experimente eingelassen hat. Ein Auto mit Zukunft."

In seinem Testbericht vergaß der Redakteur nicht den Hinweis auf ein seinerzeit unter Autofahrern weit verbreitetes Phänomen: "Hinten hat man auch mit langen Beinen Platz und kann einen nicht zu hohen Hut auf dem Kopf behalten, ohne mit dem flach gezogenen Dach dauernde Fühlung zu haben."

Aber auch sonst zog sich das neue Produkt aus den Kölner Werkshallen beachtlich aus der Affäre. Fritz Vossieck war nicht der einzige Redakteur, der sich höchst angetan vom neuen Ford Taunus zeigte. Bundesweite Begeisterung machte sich breit. Ob " ADAC Motorwelt " , ob " Auto, Motor und Sport " , ob Illustrierte oder Tageszeitungen im In- oder Ausland: der 17M war in aller Munde und wurde mit Lob überschüttet. Die amerikanische Zeitung „The Overseas Weekly" schrieb zum Beispiel in ihrer Ausgabe vom 23. Oktober 1960: „Köln enthüllt eine Schönheit“.

Tatsächlich hatten die Ford Entwickler einiges riskiert, als sie von der bis dahin vorherrschenden Trapezform abwichen, anstatt dessen "die Linie der Vernunft" kreierten und dem neuen Wagen eine Stromlinienform verpassten, deren cw-Wert von 0,40 fast an den des Porsche (0,396) heranreichte. Der Volksmund war sofort zur Stelle und vergab für den 17M Spitznamen wie "Badewanne" und das "Kölner Ei". Einen ebenso despektierliche Bezeichnung erfanden die Kölner Mitarbeiter für ihr neues Produkt. Wegen seiner ungewöhnlich runden Form hatte es schnell den Spitznamen "Niehler Nacktarsch" weg.

Vier Jahre baute Ford den P3. Insgesamt liefen 669.715 Fahrzeuge in Köln vom Band. Zweitürer, Viertürer, Kombis, TS-Versionen mit drei Motoren- und zwei Getriebevarianten sowie 27 Farbkombinationen – und sogar etwa 200 elegante Coupés und Cabrios, die von der Kölner Firma Deutsch gebaut wurden. Nie zuvor hatte Ford eine größere Modellvielfalt angeboten. Dem größten deutschen Ford Händler, der Schwabengarage in Stuttgart, kam diese ungewohnte Vielfalt höchst verdächtig vor. Die sparsamen Schwaben wollten sich erst gar nicht mit dem wunderschönen Cabrio abgeben. Da die Ford-Werke keine Garantie für die Deutsch-Umbauten übernahmen, warnten die Stuttgarter ihre Handelspartner im April 1961 vor den Folgen: "Wir bitten Sie deshalb, solche Fahrzeuge nicht zu verkaufen."

Dabei war das Timing für das neue Modell perfekt. Im ersten Produktionsjahr, 1960, ergab eine Studie, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein immenser Nachholbedarf an neuen PKW bestand. Bei der damaligen Kraftfahrzeugdichte von lediglich einem PKW auf 14 Einwohner lag Deutschland noch weit hinter vergleichbaren Ländern zurück. Somit ergab sich ein riesiges Potential für Neuwagen. Da kam der neue Ford gerade recht. Seine rundliche Karosserieform erwies als absoluter Renner. Die bis dahin weit verbreitete Trapezform war schnell vergessen.

Der Erfolg des P3 bescherte Ford Rekordzahlen und den Kunden Wartezeiten zwischen drei und vier Monaten. Mehr als 500 Autos pro Tag konnten nicht gebaut werden. So erkannte Ford schnell die Notwendigkeit, sich langfristig nach weiteren Produktionsstandorten umzuschauen. Man hatte ein Auge auf die inzwischen nicht mehr aktive Borgward-Werke in Bremen geworfen, wurde dann jedoch im belgischen Genk fündig.

Derweil lief in Köln die Produktion auf Hochtouren. Ein am 23. Mai 1961 gebauter P3 war das 1-Millionste Ford Fahrzeug aus Kölner Produktion. Ford sah sich auf einmal Schwierigkeiten gegenüber, für die vielen notwendig gewordenen neuen Arbeitnehmer entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten zu finden. Auf einem Gelände in Köln-Fühlingen, nur einige Kilometer vom Hauptwerk entfernt, wurde ein Großteil der 900 italienischen Ford Arbeiter in kleinen Behelfsheimen untergebracht. "Hier fühlen sich die Italiener gut aufgehoben, obwohl sie schlechter als ihre deutschen Kollegen wohnen", schrieb der Kölner Stadt-Anzeiger im November 1960. Ford wollte, dass sich die ausländischen Arbeitnehmer wohl fühlten und hatte erkannt, dass "eine gute Wohnung … viel dazu beitragen" könnte. Aber man war auch zu großen Investitionen für das Wohlergehen der Belegschaft bereit. So wird ein Ford Manager mit den Worten zitiert: "Es kommt uns gar nicht darauf an, drei oder vier Junggesellen-Hochhäuser zu bauen." Diese Ankündigung wurde später in Form von drei Hochhäusern direkt am Rheinufer in die Tat umgesetzt.

Immer wieder fehlte es an Mitarbeitern. Zum einen suchte Ford in großen Anzeigen „ungelernte Arbeitskräfte – Fließband-, Maschinen oder Pressereiarbeiter“ für die Produktion und zum anderen aber auch „Frauen als Küchenhilfe“ - und natürlich jede Menge Lehrlinge und ausgebildete Kräfte.

Auf einer dieser Anzeigen bewarb sich ein junger Mann aus dem Siegerland. Er fand in der strukturschwachen Gegend keine gut bezahlte Arbeit und machte sich deshalb auf den Weg in die Großstadt, um Fahrzeuge zu bauen. Doch als er den ersten P3 sah, war ihm gar nicht wohl, denn die viel zitierte neue "Linie der Vernunft" ließ ihn um seinen Arbeitsplatz bangen.

Am Abend rief er daher seine Frau an, die noch in der gemeinsamen Wohnung in Siegen wohnte und die Absicht hatte, bald ihrem Mann nach Köln zu folgen. Der aber sah den Umzug seiner Frau stark gefährdet. Er betrachtete die ungewöhnliche stromlinienförmige Karosserie als so kritisch, dass er seinen gerade erworbenen Arbeitsplatz schon in Gefahr sah. "Bleib Du im besser Siegerland", sagte er seiner Frau am Telefon. "Ich glaube, ich werde arbeitslos."

So weit ist es dann aber doch nicht gekommen. Am Ende waren es noch weit über dreißig Jahre, die er Ford treu war.

In diesem Buch kommen viele ehemalige Ford Kollegen zu Wort, die in irgend einer Art und Weise mit dem P3 zu tun hatten - sei es in der Entwicklung, in der Produktion, im Marketing oder im Verkauf. Mit vielen von ihnen habe ich mich lange unterhalten, und dabei sind amüsante Anekdoten und Geschichten ans Tageslicht gekommen, die bis heute kaum jemand kannte. Nun sind sie aufgeschrieben und ein für alle mal unwiderruflich mit dem P3 verbunden.

Am Rande sei erwähnt, dass es durch die Recherchen zu diesem Buch gelungen ist, einen rechtsgelenkten P3 Pick-Up in Südafrika zu finden, der inzwischen seinen Rückweg nach Deutschland angetreten hat.